Kolloquium "Autonomie im Windschatten der Staatsreformen"
Politik

Kolloquium "Autonomie im Windschatten der Staatsreformen"

Am 8. März 2024 fand im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft

das Kolloquium "Die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Windschatten der belgischen Staatsreformen" statt.

Im Namen des Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Oliver Paasch, hielt Daniel Hilligsmann die Abschlussrede der Veranstaltung.

 

Eupen, Brüssel-

Kolloquium "Die Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft im Windschatten der belgischen Staatsreformen

Abschlussrede Daniel Hilligsmann

 

***

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

Damen und Herren Abgeordnete,

werte Ehrengäste,

 

es ehrt mich, das heutige Kolloquium im Namen des Ministerpräsidenten abschließen zu dürfen.

Leider musste der Ministerpräsent seine Teilnahme aufgrund einer kurzfristigen Verpflichtung in Brüssel absagen.

Er bittet Sie, dies zu entschuldigen.

 

Meine Damen und Herren,

 

Alles Teilnehmern, Verantwortlichen und Organisatoren des heutigen Kolloquiums möchte ich herzlich danken.

Die heutige Veranstaltung reiht sich ein in eine ganze Reihe von Veranstaltungen, Festakten, Kolloquien und umfangreichen Veröffentlichungen, die uns rund um 50 Jahre Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft begleitet haben.

50 Jahre Autonomie haben eingeladen zu einem innehaltenden Rückblick, zu kritischen Bestandsaufnahmen,

und zur Formulierung fundierter Perspektiven

in Bezug auf institutionelle und zukunftsgestalterische Perspektiven unserer Heimat.

 

Fest steht:

Autonomie ist in Ostbelgien alles andere als abstrakt.

Autonomie ist kein Selbstzweck – ganz im Gegenteil:

Autonomie hat sehr konkrete und sehr spürbare Mehrwerte für die Menschen, die hier leben und arbeiten.

Nach 50 Jahren sind die Mehrwerte der hiesigen Autonomie

Derart selbstverständlich in die DNA unserer Heimat eingeflossen,

dass sie für viele nicht mal mehr als Mehrwert empfunden wird.

 

Nach 50 Jahren Autonomie halten wir es mitunter für selbstverständlich,

dass wir ein eigenes Parlament mit Gesetzgebungshoheit haben.

 

Wir halten es womöglich für selbstverständlich,

dass in unseren Schulen deutsch gesprochen und Mehrsprachigkeit gefördert wird.

 

Und für uns ist selbstverständlich,

einen eigenen Rundfunk, eine eigene Hochschule, ein Arbeitsamt,

eine Dienststelle für selbstbestimmtes Leben,

moderne Kultur- und Sportinfrastrukturen,

duale Ausbildungseinrichtungen,

eine eigene Musikakademie,

eigene Kinderbetreuungsangebote

und Angebote der außerschulischen Betreuung in deutscher Sprache gibt.

Um nur diese Beispiele zu nennen.

 

Die Natürlichkeit, mit der all diese bemerkenswerten Dienstleistungen unsere Heimat vielfach zu einer Vorzeigeregion machen, ist ein Erfolg.

Und man kann sicherlich behaupten, dass wir zu den bestgeschützten Minderheiten Europas und der Welt gehören.

 

Und dennoch können wir nicht oft genug betonen, dass all diese Vorzüge nicht gottgegeben sind.

Unsere Autonomie ist nicht selbstverständlich.

Wir verdanken sie all jenen, die sich in der Vergangenheit, heute und in Zukunft hierfür einsetzen.

 

Tatsächlich können wir dankbar sein, dass wir unsere Gegenwart und Zukunft in vielen Bereichen mitgestalten dürfen.

 

Erst gestern haben wir uns in einer Regionalkonferenz in St. Vith über eine neue Zukunftsvision 2040 für unsere Heimat ausgetauscht.

Eine Vision, an der knapp 7.000 Menschen, also 10% unserer Bevölkerung mitgewirkt haben.

Dies ist bemerkenswert und belegt die Entschlossenheit der Ostbelgierinnen und Ostbelgier, wenn es darum geht, selbst über ihr Schicksal und ihre Zukunft zu entscheiden.

 

Ohne die Instrumente unserer Autonomie wäre dies wohlbemerkt unmöglich.

Ohne unsere Autonomie wären wir nicht dazu in der Lage, uns wirksam mit der Zukunftsgestaltung unserer Region zu beschäftigen.

Ohne Autonomie wären wir ein kleiner ländlicher Zipfel im Osten der Wallonie.

Sowohl unsere Sprache als auch unsere Kultur wären hochgradig gefährdet.

 

Ganz anders jedoch dürfen wir heute behaupten, dass es sich in Ostbelgien gut leben und arbeiten lässt.

Jedenfalls geben 90% unserer Einwohner an, mit ihrer Lebensqualität zufrieden zu sein.

Dazu hat ganz sicher diese Autonomie beigetragen.

 

Man denke nur an die Gesundheitsversorgung.
Ohne unsere Autonomie gäbe es hierzulande mit Sicherheit keine 2 Krankenhäuser mehr.

Man denke an unsere Schulen, die zu den bestausgestattetsten in Belgien, der Euregio Maas-Rhein und der Großregion gehören.

 

Oder an die vielfältigen kulturellen und sportlichen Infrastrukturen und Entwicklungsperspektiven, die es ohne unsere Autonomie nicht gäbe.

 

Oder an unser 600 Mio. EUR starkes Konjunkturprogramm.

Hiermit investieren wir in den Ausbau von Wohn- und Pflegezentren für Senioren,

die Schaffung von zusätzlichen Kinderbetreuungsangeboten,

den Wohnungsbau, die Digitalisierung, den Klimaschutz

und vieles andere mehr.

 

All diese Maßnahmen hätten wir ohne Autonomie gar nicht auferlegen können.

 

Ein Beispiel:

Würde die DG sich nicht um einen flächendeckenden Glasfaserausbau kümmern, dann würde es niemand tun.

Dann würden wir als ländlicher Raum von der Digitalisierung komplett abgehängt.

Mit dramatischen Folgen für unseren Wirtschaftsstandort.

 

Dennoch - dies wurde ja in den verschiedenen Beiträgen aufgezeigt - gibt es Verbesserungsbedarfe.

 

Als nationale Minderheit müssen wir darauf bestehen, eine angemessene garantierte Vertretung in der föderalen Kammer zu erhalten.

In dieser Frage sind wir mit Sicherheit nicht die bestgeschützte Minderheit auf der Welt.

Auf dieser Ebene stehen andere Minderheiten durchaus besser da.

 

Und mit Blick auf eine 7. Staatsreform müssen wir darauf bestehen, ein in jeglicher Hinsicht gleichberechtigter Gliedstaat, eine gleichberechtigte Gemeinschaftsregion in Belgien zu werden.

 

Wir streben alle Befugnisse an, die der Föderalstaat den Gliedstaaten übertragen hat oder noch übertragen wird.

Natürlich mit den dafür notwendigen Finanzmitteln.

 

Aber dass wir auch auf der Grundlage der heutigen Finanzierungsgesetze in der Lage wären, in all diesen Bereichen unser Schicksal in die Hand zu nehmen und finanziell zu gestalten,

das wissen wir definitiv spätestens seit der Veröffentlichung der umfangreichen DULBEA-Studie, die unter der Leitung von Prof. Bayenet erarbeitet wurde.

Unsere diesbezüglichen Forderungen werden ja derzeit im Ausschuss des Parlaments diskutiert

und voraussichtlich noch in dieser Legislatur zum Ausdruck gebracht.

 

Die Erkenntnisse des heutigen Tages und der gesamten gebündelten Reflexionen rund um 50 Jahre Autonomie werden hierein einfließen.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

in diesem Sinne danke ich Ihnen nochmals für Ihre wertvollen Beiträge und die darauf aufbauenden Austausche zu 50 Jahren Autonomie in Ostbelgien.

Danke für Ihre kritischen Betrachtungen und Analysen.

Danke, dass Sie erneut dazu beitragen, die Deutschsprachige Gemeinschaft und den Standort Ostbelgien wirksam für die Zukunft zu rüsten.

 

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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